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Mein Weg mit der Erkrankung

"Ich nehme meine Medikamente gegen meine psychische Erkrankung genauso wie jemand, der die seinigen gegen sein physisches Leiden wie Bluthochdruck oder auch Diabetes nimmt."

Es begann alles vor einem guten Jahrzehnt: Ich begann zum ersten Mal etwas zu hören, von dem ich glaubte, dass jeder es hören würde — doch das war nicht so — nur ich konnte es hören. Bis ich dies verstand, würde noch einige Zeit vergehen. Zunächst einmal folgte ein mehrwöchiger erster Klinikaufenthalt im Ausland — dort war ich für mehrere Monate im Rahmen meines Studiums. Doch ich nahm zunächst meine Medikamente nicht, da ich all  das, was nur ich hörte, für real hielt. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland schaukelte sich das ganze letztendlich soweit hoch, dass ich stationär eingewiesen wurde.

Für mich war die Erfahrung dieser Erkrankung als allererstes ein Schock; mein Leben war  nicht mehr so perfekt wie vorher — es war mit einem Makel behaftet, dem Makel einer psychischen Erkrankung. Bis ich all das verstand und wieder einigermaßen in der Realität ankam – auch und vor allem aufgrund der Medikamente, verging eine ganze Zeit — ein stationärer Aufenthalt, ein teilstationärer Aufenthalt und letztendlich eine Rehabilitation für psychisch kranke Menschen.

Genau letztere hat mich wieder zurück ins (Berufs-)Leben geführt. Ich wüsste nicht, wo ich ohne diese Reha heute stünde. Nach dieser Reha schrieb ich Bewerbungen für Ausbildungsplätze — in mein Studium wollte ich nicht zurückkehren — und wurde bei einer Kommune in meiner Umgebung als Auszubildende eingestellt. Ich schaffte die Ausbildung in verkürzter Zeit und wurde von dieser Kommune in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Dann kam ein weiterer Meilenstein in meinem Leben: Ich zog in meine erste eigene Wohnung für mich alleine.

Doch all das Neue und Ungewohnte und auch das unter ärztlicher Aufsicht stattgefundene Absetzen der Medikamente führten zu meinem ersten Rückfall — eine Zeit, an die ich mich nur noch sehr verschwommen erinnere. Doch ich kam nach einem stationären und teilstationären Aufenthalt mithilfe medikamentöser und psychotherapeutischer Unterstützung wieder auf die Beine und begann meine erste Psychotherapie. Anfangs war es eine harte Konfrontation mit mir selbst, meinen Schwächen und meinen Selbstzweifeln — doch mit der Zeit wurde es immer besser und die Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie wirkte. Ich schloss sogar meine berufsbegleitende Weiterbildung erfolgreich ab.

Doch der Druck der Gesellschaft und die Stigmatisierung waren eine große Last für mich, zu groß zu diesem Zeitpunkt: Ich bekam meinen zweiten Rückfall, da ich meine Medikamente selbstständig abgesetzt hatte – und ein weiterer längerer Klinikaufenthalt folgte. Und auch dieses Mal stand ich wieder auf, dieses Mal gestärkt und voller Hoffnung, genährt durch eine besonders liebe Mitpatientin, mit der ich noch heute befreundet bin.

Apropos liebe Menschen: Ein besonderer Dank gilt meiner allerbesten Freundin und meiner Familie, da sie mich immer unterstützt haben und hinter mir standen, egal, was mit mir passierte.  

Nun denn: Ich schwor mir nun, die Chance für mich und mein Leben zu nutzen: Ich nahm und nehme kontinuierlich meine Medikamente, wechselte den Arbeitgeber – bei diesem neuen bin ich bis heute glücklich, zufrieden und erfolgreich – und machte eine zweite Psychotherapie, die ich vor kurzer Zeit erfolgreich beendet habe. All das und selbst die Rückschläge, die ich in meinem Leben hinnehmen musste, haben mich zu der gemacht, die ich heute bin – eine empathische, tolerante und allen voran starke Persönlichkeit. Ich nehme meine Medikamente gegen meine psychische Erkrankung genauso wie jemand, der die seinigen gegen sein physisches Leiden wie Bluthochdruck oder auch Diabetes nimmt. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass eine Psychotherapie für die Seele dasselbe ist wie eine Physiotherapie für den Körper.

Ich kämpfe mit diesem Erfahrungsbericht für die Entstigmatisierung meines Erkrankungsbildes (schizo-affektive Störung) und aller Erkrankungen im schizophrenen Formenkreis, denn: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!“ (Bertolt Brecht).