Sie sind hier:

Startseite Erfahrungsberichte Meine Erfahrungen mit meiner Krankheit

"Ich werde nie die Hoffnung aufgeben, irgendwann wieder ohne Psychopharmaka zu leben."

Begonnen hat alles mit dem Versuch Psychopharmaka abzusetzen nachdem ich zum ersten Mal Psychopharmaka bekommen hatte. Behandelt wurde ich bei der ersten Gabe von Psychopharmaka gegen ADHS, Depression und Borderline. Beim Heruntersetzen bekam ich Probleme. Und so wurde ich erneut mit Psychopharmaka – diesmal Antipsychotika – behandelt. Aus diesem Teufelskreis kam ich lange Zeit nicht heraus. Immer wieder kam ich in die Psychiatrie, weil ich Hilfe wollte und bekam jedes Mal eine höhere Dosis Medikamente. Aber nicht alle Aufenthalte in der Psychiatrie waren freiwillig.

Erst als ich ganz unten war im Leben, kapitulierte ich und akzeptierte die Situation wie sie war. Es war aussichtslos geworden, erfolgreich die Antipsychotika abzusetzen. Dass ich jedoch krank war, sehe ich bis heute nicht. Für mich waren die ganzen Symptome ein Zeichen einer Lebenskrise und keine Krankheit. Deshalb habe ich bis heute ein Problem damit, zu sagen, ich sei psychotisch gewesen. Heute ist diese Lebenskrise vorbei. Ich lebe seit vielen Jahren ohne Symptome und reduziere die Psychopharmaka mit meinem Arzt. Ich werde nie die Hoffnung aufgeben, irgendwann wieder ohne Psychopharmaka zu leben. Seit Beginn der Lebenskrise ist das mein größter Wunsch überhaupt

Meine Lebenskrise entstand dadurch, dass meine körperlichen, seelischen, geistigen Grenzen überschritten wurden und ich nicht die Möglichkeit hatte, Stopp zu sagen. Es war einfach zu viel für mich. Und da ich nicht Stopp sagen konnte, und meine Grenzen nicht eingehalten wurden bzw. ich nicht genug dafür sorgen konnte, reagierte mein Körper mit Symptomen. Mein Körper zeigte einfach, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Er zeigte mir, es war einfach zu viel. So lernte ich meine Grenzen kennen. Ich lernte aus dieser Krise, dass es Grenzen gibt, die ich setzen muss und einhalten muss. Grenzen zu setzen ist nötig, um zu überleben und gesund zu leben. Das weiß ich heute. Und deshalb ist meine Rückfallprophylaxe, dass ich meine Grenzen achte.

Hilfe zu bekommen, ist nicht selbstverständlich und die Hilferufe, die ich an mein Umfeld sendete, um zu zeigen, ich brauche Hilfe – lange bevor ich eine Psychose hatte, kamen nicht in der Weise an, wie ich es brauchte. Sich deshalb an Ärzte zu wenden, schien für mich zu Beginn der Geschichte eine sinnvolle Idee. Deshalb verfolgte ich sie. Also bekam ich „einfach nur“ psychiatrische Medikamente – lange vor dem Beginn einer Psychose.

Medikamente waren keine Hilfe bei den Problemen, die ich hatte. Die Hilfe, die ich eigentlich gebraucht hätte, bekam ich nicht. Stattdessen rückte immer mehr meine psychiatrische „Krankheit“ in den Mittelpunkt. Eine Diagnose folgte nach der anderen, und irgendwann kam dann die Diagnose Psychose.  

Die „Psychose“ war für mich wie ein Tagtraum. Ich träumte einfach. Hat man einen „Tagtraum“, kann man keinen oder nur einen geringen Bezug zur Welt – Außenwelt – um sich herum aufbauen. Damit ich wieder einen Bezug zur Welt um mich herum aufbauen konnte, musste mein Innenleben unterdrückt werden. Das geschah und geschieht mit Medikamenten. Erst wenn das Innenleben des Menschen komplett brach liegt, kann sich der Mensch von seinem Tagtraum erholen und kommt dadurch in der Realität an. So war es bei mir. Sobald ich mich von der ganzen Situation erholt hatte, begann ich an meinem Leben zu arbeiten. Ich machte eine Ausbildung und begann zu arbeiten. Ich baute mir Freundschaften auf und verbesserte mein Leben wie ich nur konnte.  

Psychiater arbeiten eigentlich „nur” mit der Gabe von Medikamenten. Aber ich will nicht unerwähnt lassen, dass mein jetziger Arzt, den ich im Laufe der Geschichte kennenlernte, mich seit ich ihn kenne, durch Gespräche unterstützt und ich Hilfe bei vielen Problemen bekomme, die mein Leben seit der Diagnose begleiten. Durch gemeinsame Arbeit an der Situation lernte ich viel über die Gründe der Erkrankung und bekam ein besseres Verständnis für meine Situation. Bis heute lerne ich, wie ich mit Stress umgehe, damit der Stress nicht überhand nimmt und ich meine so wichtigen Grenzen nicht überschreite. Eine weitere wichtige Rückfallprophylaxe ist also das regelmäßige das Gespräch mit meinem Arzt.

Um nicht von Freunden und dem Arbeitgeber abgelehnt zu werden und weil ich Angst habe, dass mein Arbeitgeber mir deshalb kündigt, halte ich die Diagnose komplett geheim. Die Gefahr, vom Arbeitgeber und den Kollegen verurteilt und stigmatisiert zu werden und dadurch meine Arbeit zu verlieren oder gemobbt zu werden, ist zu groß. Warum? Leute, die diese Erkrankung nicht kennen und deshalb Vorurteile haben und aufgrund dieser Vorurteile handeln, sind gefährlich für mich und mein hart erarbeitetes Leben.

Dass die Erkrankung vom Prinzip her nicht anders funktioniert als eine Diabeteserkrankung – bei der es um den Transmitter Insulin geht, ist nicht einmal meiner Hausärztin bekannt. Wer weiß denn schon, dass eine Psychose nicht psychische Ursachen hat und deshalb auch nicht alleine durch eine psychotherapeutische Behandlung zu behandeln ist! Bei einer Psychose kann der Körper mit dem vorhandenen Transmitter Dopamin nicht umgehen. Aus diesem Grund ist eine Psychose in vielen Fällen auch nicht heilbar. Die Therapie mit Medikamenten kann die Erkrankung nicht heilen, sondern ist lediglich eine Symptomunterdrückung, die genauso lange anhält, wie die Medikamente eingenommen werden. Hört man auf, die Medikamente zu nehmen, kehren bei vielen Menschen die Symptome zurück.