Mythen zur Erkrankungshäufigkeit
Einem Mythos zufolge handele es sich um eine seltene Erkrankung bzw. dass sie nicht existiert. Die durchschnittliche Häufigkeit des Neuauftretens der Erkrankung wird weltweit auf 1 % geschätzt. Schizophrene Psychosen können Menschen jeden Alters, jeder Gesellschaftsschicht und jeder Herkunft betreffen.
Mythen um die Ursachen der Erkrankung
Weitere Mythen drehen sich um die Ursachen der Erkrankung. So wird immer noch behauptet, Ursache seien eine schlechte Erziehung und Misshandlungserfahrungen in der Kindheit. Diese Mythen gehen auf psychoanalytischen Theorien des 20. Jahrhunderts zurück, wobei es bereits damals keine Belege hierfür gab. Folge war u.a. eine Stigmatisierung der Familien, da ihnen die Schuld an der Erkrankung der betroffenen Angehörigen zugewiesen wurde. Der aktuelle Forschungsstand zeigt erfreulicherweise, dass diese Aspekte nicht die Ursache sind, sondern viele Faktoren eine Rolle spielen und dass die Erkrankung jeden betreffen kann. Traumatische Erfahrungen sind beispielsweise ein unspezifischer Risikofaktor für viele psychische Erkrankungen. Gleichzeitig bedeutet eine traumatische Erfahrung nicht, dass jemand tatsächlich eine psychische Erkrankung entwickeln wird, denn hierzu müssen weitere Faktoren hinzukommen, die das Krankheitsrisiko erhöhen.
Teilweise wird auch das Auftreten der Erkrankung damit begründet, sie sei eine nachvollziehbare Reaktion einer Person auf deren Umwelt, was somit keinen Krankheitswert hätte, da die Person mit schizophrener Psychose im Vergleich zu ihrem dysfunktionalen Umfeld der „Gesündeste“ sei. Dieser Mythos geht auf Hypothesen des Psychoanalytikers Ronald Laing zurück, und somit auch auf die Anti-Psychiatrie-Bewegung der 1960er Jahre. Auch hierfür gibt es keine Belege und der Mythos ist falsch. Im Verlauf der Jahre distanzierte sich Ronald Laing selbst von dieser Hypothese.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Ursache der Erkrankung ein multifaktorielles Geschehen zugrunde gelegt wird. Einfacher gesagt, bedeutet dies, dass verschiedene Faktoren, zur Entstehung der Erkrankung beitragen. Das heißt, es gibt nicht die eine Ursache, sondern es müssen erst mehrere Faktoren, die das Krankheitsrisiko erhöhen, zusammenkommen. Dann kann es zur schizophrenen Psychose kommen. Diese potenziellen Ursachen werden in neurobiologische, psychische und soziale Faktoren unterteilt.
Mythen zum Thema Gene und schizophrene Psychosen
Entsprechend ist auch der Mythos, es gebe ein Gen, das die Ursache der Erkrankung sei und dass man nur dieses Gen „korrigieren“ oder sogar „entfernen“ müsse, damit die Erkrankung nicht auftritt, nicht korrekt. Insbesondere während des Dritten Reichs wurde dieser Mythos häufig genutzt – mit entsprechenden schwerwiegenden Folgen, da hiermit auch die Tötung dieser Personen begründet wurde.
Es gibt nicht ein Gen, das zur Erkrankung führt, sondern es spielen eine Vielzahl von Genen – aber auch weiterer Faktoren – eine Rolle. Diese Faktoren üben für sich allein keinen großen Einfluss aus, erhöhen jedoch zusammen das Risiko. Aber auch dann müssen weitere Faktoren hinzukommen, damit es zum Auftreten der Erkrankung kommt. Man kann auch nicht einfach davon ausgehen, dass die Erkrankung vererbt wird. So wird das Risiko eines eineiigen Zwillings dessen Zwilling betroffen ist, selbst zu erkranken auf maximal 45 % geschätzt.
Darüber hinaus wurden viele Betroffene in den USA und in Großbritannien durch dauerhafte Einweisung in sog. „Asylums“ (deutsch: „Irrenanstalten“), daran gehindert, selbst eine Familie zu gründen. Dennoch gab es weiterhin viele neue Fälle. Zudem sollte beachtet werden, dass Genvarianten, die das Risiko an schizophrener Psychose zu erkranken erhöhen, das Risiko für das Auftreten anderer Erkrankungen reduzieren. Dies ist der Grund, warum diese Genvarianten weiterhin in der Bevölkerung verbreitet sind.
Mythen zum Verhalten der Betroffenen
Eine weitere vorherrschende Annahme ist, dass die Betroffenen gefährlich sind. Dies trifft jedoch auf die große Mehrheit der Betroffenen nicht zu. Stattdessen sind die Betroffenen doppelt so häufig wie andere Menschen Opfer von Gewalt. Zu bedenken ist auch, dass mindestens ein Drittel der Betroffenen mindestens einen Suizidversuch unternimmt.
Mythen zu den Themen Behandlung, Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikation
Weitere Mythen betreffen die Behandlung der Erkrankung. So wird angenommen, bei Antipsychotika handele es sich um Beruhigungsmittel und dass sie die Persönlichkeit verändern. Weder das eine, noch das andere trifft zu. Der Mythos, es handele sich um Beruhigungsmittel basiert möglicherweise darauf, dass Antipsychotika der ersten Generation – auch typische Antipsychotika genannt – in sehr hohen Dosierungen sedierend wirken können. Erschwerend kommt noch hinzu, dass in englischsprachigen Ländern lange der Ausdruck „major tranquilizer“ verbreitet war, um damit zu verdeutlichen, dass diese „major tranquilizer“ eher zur „Beruhigung“ der Betroffenen führten als die klassischen Beruhigungsmittel („minor tranquilizer“). Es handelt sich jedoch um komplett unterschiedliche Gruppen von Medikamenten. Im Gegensatz zu den klassischen Beruhigungsmitteln besteht bei Antipsychotika nicht das Risiko eine Abhängigkeit zu entwickeln.
Vergessen wird dabei, dass das primäre Ziel die Reduktion der Positivsymptomatik ist. Die Tatsache, dass heutzutage die Behandlung mit niedrigeren Dosierungen – idealerweise mit Hilfe von Medikamentenblutspiegeln – empfohlen wird und darüber hinaus die neueren Antipsychotika – auch genannt atypische Antipsychotika bzw. Antipsychotika der zweiten Generation – bevorzugt eingesetzt werden, wirkt den o.g. Nebenwirkungen entgegen.
Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Betroffenen „ein Leben lang“ Medikamente einnehmen müssen. Die aktuelle Datenlage zeigt, dass es auch Fälle gibt, in denen es nur einmalig zur psychotischen Episode kommt und keine längerfristige Behandlung erforderlich ist. Eine umfassende, frühzeitig eingeleitete Behandlung bestehend aus medikamentöser Therapie, Psychotherapie und Soziotherapie ermöglicht den Betroffenen ein weitgehend „normales“ Leben. Dies widerspricht dementsprechend auch dem Mythos, demzufolge Betroffene ein Leben lang unter einer Behinderung leiden.